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Die in Nature Communications erschienene Studie zeigt, dass kohlenhydratarme Ernährung zumindest Ratten vor degenerativem Abbau des Zentralnervensystems schützt [1]. Wie konnten die Forscher das nachweisen?
Rückgang von Neuroinflammation
Die Forscher blockierten den Glucosestoffwechsel in den Gehirnen von Ratten mit Neuroinflammation. Dies erreichten Sie durch den Einsatz der Substanz 2-Desoxyglucose (2DG). Infolgedessen schaltetet auf die Verwendung von Ketonen als Brennstoff um, was auch bei einer ketogenen Diät (vorübergehend 5 Energieprozent Kohlenhydrate) der Fall ist. Daraufhin bildete sich die Neuroinflammation offenbar wieder ungefähr auf das Niveau der Kontrollgruppe zurück. Dieses Ergebnis wurde in vitro an Rattenhirnzellkulturen bestätigt.
Jedoch entdeckten die Forscher außerdem noch etwas anderes: Die Verringerung der Glucose stimuliert auch einen epigenetischen Schutzmechanismus. Die Verknappung von Glucose in den Gehirnzellen löste über einen Zwischenschritt die Aktivierung des Proteins CtBP aus. Dieses Protein unterdrückt die Wirkung von entzündlichen Genen auf die DNA. Dadurch werden im Endeffekt auch weniger entzündliche Substanzen im Gehirn gebildet.
Kohlenhydratempfehlungen auf den Prüfstand?
Die Stiftung Voedingscentrum Nederland vertritt die Auffassung, dass 40 bis 70 Energieprozent unserer Nahrung aus Kohlenhydraten bestehen sollten [2]. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt eine ähnliche Bandbreite: zwischen 55 und 75 Prozent [3]. Wie ernähren sich aber moderne Jäger und Sammler, deren Daten uns bekannt sind?
Mit maximal 35 Prozent Kohlenhydraten, mit hoher Varianz nach unten, wenn der Lebensraum über dem 41. nördlichen Breitengrad liegt [4]. Die geschätzte Obergrenze bei Jägern und Sammlern liegt somit also deutlich unter den von der Stiftung Voedingscentrum Nederland und der WHO angegebenen Untergrenzen.
In unseren Lehrgängen empfehlen wir zwischen 20 und 30 Energieprozent in Form von Kohlenhydraten und wechselnde Anteile von Proteinen und Fetten, wobei Proteine mindestens 15 Prozent, jedoch vorzugsweise 35 Prozent der Nahrung ausmachen sollten. Dabei ist Variation der Schlüssel.
Ketogene Diät als Pille
Die Forscher arbeiten an der Entwicklung von 2DG-haltigen Medikamenten. Dies begründen sie damit, dass ketogene Diät insbesondere bei schwer kranken Patienten im Alltag nur äußerst schwierig durchzuführen sei. Wenn dies auch zutreffen mag, liegt das größte Potenzial dennoch in der Prävention und eine nicht-synthetische Alternative wäre wünschenswert. Wo können wir ansetzen?
Zum Beispiel bei urzeitlicher Ernährung, das heißt also bei einer Ernährung, wie sie sein sollte. Dank ihres niedrigen Kohlenhydratgehalts wird so ein wichtiger täglicher Trigger für Neurodegeneration und den psychischen Störungen, die daraus resultieren, aus der Nahrung herausgenommen. Außerdem enthält sie genau wie die mediterrane Küche große Mengen an (fettreichem) Fisch und Meeresfrüchten. Meeresfrüchte sind für unser Gehirn extrem wichtig.
Auch kann es empfehlenswert sein, mehr Kokosfett zu verzehren. Von ihm wurde gezeigt, dass es die Wirkung der ketogenen Diät unterstützt [5]. Obwohl die entsprechende Studie recht klein angelegt war (n = 6), zeigte sie dennoch sehr deutlich, dass sich nach dem Verzehr von Kokosfett der Gehalt von Ketonkörpern im Serum erhöhte und sich ein verstärkender Effekt auf die Gedächtnisleistung einstellte. Bei Placebo wurden keine Verbesserungen bei kognitiven Tests festgestellt. Größer angelegte Studien sind möglicherweise bereits in Vorbereitung.
Ketogene Überraschung: Kaffee
Schließlich noch eine angenehme Überraschung: Eine Anfang dieses Jahres durchgeführte Studie hat gezeigt, dass das Trinken von Kaffee ebenfalls eine ketogene Wirkung besitzt [6]. Obwohl dies wiederum eine recht klein angelegte Untersuchung war (n = 10), erwiesen sich die Ergebnisse als spektakulär: Schon nach einer Tasse stieg die Ketonbildung um 88 Prozent, nach der zweiten um 116 Prozent. Hier kann also von einer Dosis-Wirkungs-Beziehung gesprochen werden.
Übrigens ist nicht bekannt, ob Koffein auch langfristig ketogene Wirkungen zeigt. Auch weiß man noch nicht, ob Kaffee die ketogene Wirkung von Fettsäuren aus Kokosfett verstärken kann. Jedenfalls sieht es ganz danach aus, dass Ihre Klienten sich auch weiterhin ruhig ihr Tässchen Kaffee gönnen dürfen.
Literatur
[1] Yiguo Shen et al., Bioenergetic state regulates innate inflammatory responses through the transcriptional co-repressor CtBP, Nature Communications (2017).
[2] http://www.voedingscentrum.nl/encyclopedie/koolhydraten.aspx
[3] http://www.who.int/dietphysicalactivity/publications/trs916/en/gsfao_overall.pdf
[4] Ströhle A1, Hahn A., Diets of modern hunter-gatherers vary substantially in their carbohydrate content depending on ecoenvironments: results from an ethnographic analysis, Nutr Res. 2011 Jun;31(6):429-35.
[5] Rebello CJ, Keller JN, Liu AG, Johnson WD, Greenway FL, Pilot feasibility and safety study examining the effect of medium chain triglyceride supplementation in subjects with mild cognitive impairment: A randomized controlled trial, BBA Clin. 2015 Jan 16;3:123-5.
[6] Vandenberghe C, St-Pierre V, Courchesne-Loyer A, Hennebelle M, Castellano CA, Cunnane SC, Caffeine intake increases plasma ketones: an acute metabolic study in humans, Can J Physiol Pharmacol. 2017 Apr;95(4):455-458.